Es ist Januar, die Luft ist mild, der Boden feucht. Am Wegrand stehen #Brennnesseln, stark gegart. Ich will herausfinden, wie die #Faser|qualität ist.
Die #Brennnessel Halme haben natürlich keine Brennhaare mehr. Die Larven der Schmetterlinge fressen übrigens nur die Haarbasis an, somit kommen sie nicht mit den Spitzen in Berührung, die abbrechen und die Säure freigeben, die dann nesselt. Ich dachte immer, IN den hohlen Halmen würden Larven überwintern, aber ich habe keine gefunden und auch nochmal nachgelesen. Die meisten #Schmetterlinge legen ihre Eier am Blattgrün ab, später verpuppen sie sich hängend. Hätte ich Puppen gefunden, hätte ich nicht geerntet. Es gibt auch eine Herbstgeneration, die überwintert und im Frühling schlüpft.
Die etwa 20 halbfeuchten Halme habe ich erst einmal zum Trocknen auf die Heizung gelegt, früher sagte man Darre dazu. In der Breche und beim Schwingen geht es darum, die Holzbestandteile herauszubrechen und die Schäben aus den Fasern zu schlagen. Die vorausgehende Gare sollte den Faser und Holz verklebenden Pflanzenleim ja schon gelöst haben. *Fermentation* Ich habe also die gedarrten Halme zertreten und zerrieben. Was übrig blieb, ist eine Handvoll Faserfilz und die herausgebrochenen Schäben.
Die Fasern sind schon sehr stark zersetzt. Die langen Bündel sind nicht mehr vorhanden. Die verbleibenden Fasern sind eher kurz. Man kann ja unterscheiden: es gibt die Elementarfaser, wo außer Faser nix dran ist. Die sind bei der #Brennnessel relativ kurz, einige cm nur, und sehr dünn. Bilden sich schlanke Bündel davon, die technischen Fasern, zu langen und kräftigen Verbänden, haben wir die gut zu verarbeitende textile Faser. Das sind die, die man eigentlich zum Spinnen braucht, aber ich glaube, das feuchte Wetter hat den Fasern arg zugesetzt, so dass nur die elementaren übrig geblieben sind. Ich habe sie zusammen mit etwas älteren Fasern kardiert, d.h. gekämmt und gemischt. Herausgekommen ist ein zartes Faserband.
Heute war ein toller workshop mit beeindruckenden Teilnehmys, alle beschlagen in #Kräuter- und #Faser|kunde. Es stand ein #Apfelbaum im #Garten, ein heiliger alter #Baum, mit vier (4!) aufgepropften Apfelsorten! In der #Werkstatt wurden gedarrte #Brennnessel|halme gebrochen, gehechelt, kardiert und versponnen. Es funktioniert!
Was man bei der ganzen Faserei nicht unterschätzen darf, ist der Staub: getrockneter Kleber, pulverisierte Lignine, zerbröselte Hemizellulosen, wasnichtalles.
Hier ist mal ein Bild von getrockneten Grünfasern der frischen #Brennnessel- Sommer-Pflanze. Alle Pflanzenkleber, Chlorophylle usw. sind noch im Faserstrang enthalten. Vorteil der Frischernte: staubt nicht und die langen Faserbündel bleiben erhalten.
@wasnichtalles
Toll! Ich habe vor langer Zeit in einem der Bücher von "The Traditional Bowyer's Bible" von Brennnesselsehnen für Bögen gelesen. Ich habe es aber nie ausprobiert.
@vniBW
Für Sehnen braucht man sehr schöne und lange Fasern, die die Zugkraft aufnehmen, ohne sich selbst allzusehr zu dehnen. Das kannst du aus Brennnesseln gut machen. Ich habe auch schon mal ein Backing aus Nesselfasern aufgebracht und hatte das Gefühl, das bringt was. Mein heutiger Spinnversuch war aber eher mit den kurzen Winterfasern, die man stärker drehen muss und deshalb für eine Sehne nicht so geeignet wären.
@wasnichtalles Ich verfolge was du machst interessiert.
Ich habe bei einem 1,20 m Bogen für Kinder/Jugendliche ein Backing aus Packetschnur aufgebracht. Der Bogen war vorher viel zu schwach, danach hat der für die Kinder genau das richtige Zuggewicht und hält auch Misshandlungen von coolen Typen gut aus.
@vniBW
Freut mich! Ein Paketschnurbacking, cool. Geht alles :)
@wasnichtalles
Ich wollte den Bogen schon vor Wut zerbrechen (zu schnell noch etwas Holz weggenommen] und dann dachte ich an Backing… Die Schnur lag so herum und meinte zu mir "Wie wär's mit mir?"
@vniBW
Hihi, schnell noch... vor Wut zerbrechen... Damit kenne ich mich aus. Wieviele schöne kreative Dinge "aus Wut" entstehen! Kreawut, müsste man fast sagen.
@wasnichtalles cool, danke. Das war super interessant